Als wir bei ElderlyAR vor einem Jahr mit unserer Mission starteten, Virtual Reality (VR) für Senioren zugänglich zu machen, dachten wir, wir hätten alle Herausforderungen bedacht. Doch die Realität – ob virtuell oder nicht – hielt einige Überraschungen für uns bereit. Hier sind die drei faszinierendsten Erkenntnisse aus unserer Arbeit:
1. Das Zeitreise-Paradoxon
Wir waren überzeugt: Senioren würden begeistert sein, ihre Jugend in VR wieder zu erleben. Die Wahrheit? Kompliziert.
Eine 87-jährige Teilnehmerin war anfangs skeptisch: „Wozu in die Vergangenheit reisen? Ich lebe im Hier und Jetzt!“ Doch als sie durch das virtuelle Berlin spazierte, änderte sich alles. Sie erkannte nicht nur Orte wieder, sondern auch Gefühle. „Es war, als würde ich durch meine Erinnerungen wandern, aber klarer, als ich sie je zuvor gesehen habe“, sagte sie später.
Andere wiederum fühlten sich von der Vergangenheit überfordert. Ein 92-jähriger Herr nahm nach zwei Minuten die Brille ab: „Es ist zu viel. Manche Dinge sollten vielleicht in der Erinnerung bleiben.“
Was wir gelernt haben: Zeitreisen in VR sind ein zweischneidiges Schwert. Wir arbeiten nun an einem behutsamen Ansatz, der es den Nutzern erlaubt, schrittweise in ihre Vergangenheit einzutauchen – oder lieber neue, nie gesehene Orte zu erkunden.
2. Die unerwarteten VR-Enthusiasten
Wir gingen davon aus, dass die „jüngeren“ Senioren (60-75) am technikaffinsten wären. Falsch gedacht!
Zu unserer Überraschung waren es oft die über 85-Jährigen, die am meisten Begeisterung zeigten. Eine 91-jährige Dame wurde zu unserer inoffiziellen VR-Botschafterin: „In meinem Alter gibt es nicht mehr viel Neues zu erleben. Aber das hier? Das ist Zukunft!“
Gleichzeitig stellten wir fest, dass viele 60-70-Jährige skeptischer waren. „Ich verbringe schon genug Zeit am Computer“, war ein häufiger Kommentar.
Was wir gelernt haben: Alter ist keine Barriere für Technologiebegeisterung. Wir fokussieren uns jetzt darauf, die individuellen Interessen zu treffen, unabhängig vom Alter.
3. Das soziale VR-Phänomen
Unser ursprünglicher Fokus lag auf individuellen VR-Erlebnissen. Doch dann beobachteten wir etwas Unerwartetes: Die lebhaftesten Momente entstanden, wenn Senioren gemeinsam in VR eintauchten.
Bei einem Gruppentreffen in einem Seniorenzentrum planten wir, dass jeweils eine Person VR erlebt, während die anderen zuschauen. Stattdessen entwickelte sich eine Art „VR-Erzählzirkel“. Ein Teilnehmer beschrieb, was er in VR sah, während die anderen ihre eigenen Erinnerungen und Geschichten zu den Orten teilten. Es entstand ein lebendiger Austausch, der weit über das VR-Erlebnis hinausging.
Was wir gelernt haben: VR kann ein kraftvoller Katalysator für soziale Interaktionen sein. Wir entwickeln nun Formate, die diesen gemeinschaftlichen Aspekt in den Vordergrund stellen.
Fazit: Die Reise geht weiter
Jede dieser Erkenntnisse hat uns überrascht, herausgefordert und inspiriert. Sie zeigen uns, dass die Verbindung von Senioren und VR-Technologie ein Feld voller unentdeckter Möglichkeiten ist.
Bei ElderlyAR sehen wir diese Herausforderungen als Chancen. Chancen, unsere Technologie menschlicher zu gestalten, besser auf individuelle Bedürfnisse einzugehen und vor allem: Momente zu schaffen, die berühren, verbinden und bereichern.
Die virtuelle Realität mag neu sein, aber der Wunsch nach Verbindung, Entdeckung und Freude ist zeitlos. In diesem Geist setzen wir unsere Arbeit fort, gespannt auf die nächsten Überraschungen, die auf uns warten.